Definition/ Entstehung

Was ist ein Trauma?

Fischer und Riedesser (2009, S. 84) definieren ein Trauma als „vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilfslosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt“. Ein Mensch kann also traumatisiert werden, wenn er in eine existentiell bedrohliche Situation gerät und keine ausreichenden Bewältigungsmöglichkeiten besitzt, um diese Situation zu meistern. Aus dieser Definition wird deutlich, dass nicht jeder Mensch von denselben Ereignissen traumatisiert wird.

Wie entsteht ein Trauma?

In einer Stresssituation wird eine Information über eine Bedrohung ans Stammhirn und später an die Amygdala geleitet. Dieser Teil des Gehirns versetzt den Körper in Alarmbereitschaft. Durch die Ausschüttung von Hormonen (unter anderem Adrenalin) befindet sich der Körper nun in höchster Anspannung und ist kampf- bzw. fluchtbereit. Zusätzlich wird das Grosshirn, welches für Entscheidungsfindungen zuständig ist, ausgeschaltet, damit schnell reagiert werden kann (vgl. Imm-Bazlen & Schmieg, 2017; Siebert, 2016).

Von einer traumatischen Situation wird gesprochen, wenn sie sich nicht durch Kampf oder Flucht bewältigen lässt. Befindet sich ein Mensch in einer traumatischen Situation so reagiert er laut Zito und Martin häufig mit einer „dritten archaischen Reaktionsform: der Erstarrung, dem sogenannten Freeze-Zustand… “ (2016, S. 22). Jegliche Reaktionen werden unmöglich. Nun kann es zur Dissoziation kommen, einem neurobiologischen Schutzmechanismus des Menschen. Es kommt zu einer innerlichen Distanzierung von der Bedrohung (vgl. Imm-Bazlen & Schmieg, 2017). Dies hilft dem Körper der unerträglichen Realität zu entkommen. Im Zuge diese Distanzierung werden die wahrgenommenen Eindrücke der bedrohlichen Situation nicht mehr als Ganzes im Hippocampus abgelegt. Erinnerungen an die traumatische Situation werden somit als Bruchstücke (Fragmente) abgelegt. Alle Körperempfindungen und Gefühle, welche mit der bedrohlichen Situation zu tun haben, sind nicht an die Situation gebunden abgespeichert, sondern abgespalten.

Wenn der Körper sich durch Kampf oder Flucht aus der bedrohlichen Situation befreien kann, so kann die Anspannung abgebaut werden. Dies ist nicht der Fall, wenn der Körper in den Freeze-Zustand kommt. Die extreme Anspannung in Körper und Geist bleiben bestehen und werden im Körper gespeichert. Dies hat zur Folge, dass der Körper auch lange nach der Traumatisierung in einem erhöhten Stresslevel funktioniert und sich in ständiger Alarmbereitschaft befindet (vgl. Imm-Bazlen & Schmieg, 2017; Siebert, 2016; Zito & Martin, 2016).

Die komplexen hirnorganischen Vorgänge einer Traumatisierung werden von Marianne Herzog im unten stehenden Video vereinfacht erklärt. Ihre bildliche Darstellung der komplexen neurobiologischen Vorgänge sollen den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu einem besseren Verständnis helfen.

Im Video wird das Reptilienhirn erwähnt. Dieses steht für einen uralten Teil unseres Hirns, welcher noch auf der Evolutionsstufe von Echsen reagiert. Das Reptilienhirn kann blitzschnell reagieren, indem es den Befehl zur Flucht, zum Kampf oder zum Freeze gibt. Das Grosshirn wird als die Vernunft dargestellt, es kann jedoch nicht so schnell reagieren wie das Reptilienhirn. Dafür kann es Erlebtes besser in Erinnerungen abspeichern.

„Was geht in meinem Kopf ab?“ Psychoedukation

Wichtig ist dabei zu bedenken, dass nicht jedes Kind gleich reagiert und die selben Hilfestellungen benötigt. Die im Video erwähnte Türklingel kann dabei eine Möglichkeit sein, die Vernunft wieder auf den Thron zu bringen. Jedoch ist sie nicht für alle Kinder die passende Lösung um das Reptilienhirn zu vertreiben.

Mit freundlicher Genehmigung von Marianne Herzog.